„Auf, gebt, Feuer“
Eine Woche vor Weihnachten erhallen im Talkessel dumpfe Schüsse aus Handböllern und lautes Glockengeläut sämtlicher Kirchen - in der „staaden“ Zeit wird es durchaus auch einmal etwas lauter in Ramsau. Bis zum 24. Dezember wird täglich um 15 Uhr eine Viertelstunde zum Läuten der Kirchenglocken das „Christkindl angeschossen“. Salutmäßig verstärken die Burschen und Männer mit Handböllern das Glockenläuten, das von Christi Geburt kündet. Das eigentliche Weihnachtsschießen beginnt jedoch, wenn sich die Schützen zur Christmette auf ihrem festen Standplatz in Hörweite zur Kirche versammeln und das weihnachtliche Hochamt einläuten. Dann sind im ganzen Dorf Einzelfeuer, Schnellfeuer und Salven zu hören, bis nach dem halbstündigen Spektakel schlagartig Ruhe einkehrt. Auch am Silvestertag versammeln sich die Schützen wieder an ihrem Standplatz im Herzen des Bergsteigerdorfes und von 23.45 Uhr bis 00.15 Uhr wird das alte Jahr „hinausgeschossen“ und das neue Jahr mit kräftigen Schüssen begrüßt.
Die Wurzeln des Böllerschießens gehen auf einen heidnischen Brauch zurück, wobei der Lärm ursprünglich die Geister der Dunkelheit vertreiben und den Frühling erwecken sollte, da die kalte Jahreszeit in den alten Zeiten besonders unheimlich und düster war. Im Laufe der Jahrhunderte wurde mit Verboten und Strafen immer wieder versucht, diese Tradition zu verhindern. Doch der Brauch blieb bis zum heutigen Tag stärker und wurde im 19. Jahrhundert christianisiert und zum festen Bestandteil der weihnachtlichen Liturgie. 1925 wurde die »Vereinigung der Weihnachtsschützen des Berchtesgadener Landes« gegründet, in der die lokalen Schützenvereine der einzelnen Gemeinden zusammengefasst sind. Ziel war es, gegen Verbote geschlossen vorzugehen, Schießpulver gemeinsam zu beziehen und insbesondere das wilde Schießen zu unterbinden. Es wurde besonderen Wert auf das Schießen an den hohen Feiertagen und das Tragen der Berchtesgadener Tracht gelegt.
Doch die Schützen schießen, wie der Name vielleicht vermuten lässt, nicht nur an Weihnachten, sie wirken ganzjährig bei kirchlichen Festen, Feiertagen und Festtagen mit. Die Vereinigten Weihnachtsschützen des Berchtesgadener Landes zählen rund 3.000 Mitglieder und gehören seit 2018 zum immateriellen Kulturerbe in Bayern.